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Stadtbibliothek

Adresse. Spendhausstraße 2, 72764 Reutlingen [Karte]
Telefon. (07121) 303-2846 (Auskunft) oder 303-2859 (Sekretariat und Leitung)
Telefax. (0 71 21) 303-2831
Bibliothekssigel. <293>

Unterhaltsträger. Stadt Reutlingen
Funktion. Stadtbibliothek.
Sammelgebiete. Reutlingensien (im weitesten Sinne).

Benutzungsmöglichkeiten. Magazinierter Altbestand: Benutzung nur nach Voranmeldung im sogenannten Studienkabinett. - Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10-19 Uhr (Samstag 10-13 Uhr nur frei zugänglicher Ausleihbestand). Leihverkehr: DLV.
Technische Einrichtungen für den Benutzer. Kopiergeräte. Aus konservatorischen Gründen jedoch keine Kopien aus alten Drucken (vor 1850) möglich.
Hinweise für anreisende Benutzer. Fußwegnähe vom Bahnhof (ca. 10 Minuten). A 8, Ausfahrt Wendlingen, B 313 oder A 81, Ausfahrt Herrenberg, B 28 über Tübingen. Parkmöglichkeit Tiefgarage Rathaus und Tübinger Tor, Oskar-Kalbfell-Platz 21 (bei der Bibliothek).

1. BESTANDSGESCHICHTE

1.1 Die heutige Reutlinger Stadtbibliothek entstand 1958 durch die Fusion der 1899 gegründeten Volksbücherei mit der wesentlich älteren Stadtbibliothek, deren Vorläufer bis in die Zeit der Reformation zurückreichen. Die historischen Bestände stammen weitgehend aus der Stadtbibliothek, deren Altbestand heute magaziniert und nicht frei zugänglich ist. Es handelt sich dabei um ca. 14.000 Bde aus dem rund 150.000 Bde umfassenden Gesamtbestand. Hinzu kommt der ältere Teil der landeskundlichen Literatur, die in einem Nagazin beim sogenannten Studienkabinett aufgestellt ist.

1.2 Als Gründungstag der historischen Stadtbibliothek gilt der 10. November 1652, als der Reutlinger Bürgermeister Matthäus Beger (1588-1661) vor dem Rat der Stadt bekundete, daß er seine umfangreiche wissenschaftliche Bibliothek der Stadt überlassen wolle. Zugleich stiftete er 300 Gulden Kapital, dessen jährlicher Zinsertrag von 15 Gulden für die Pflege und den Ausbau der Bibliothek verwendet werden sollte. Der Rat akzeptierte die Stiftung samt der Bedingung, jährlich 10 weitere Gulden für den Unterhalt und die Vermehrung der Bibliothek aus dem Stadtsäckel zuzuschießen. Der in der Literatur angegebene Umfang der Bibliothek Begers von ca. 3000 Bdn ist mit Sicherheit zu hoch angesetzt. Trotzdem ist diese Bibliothek mit ihrem reichen Bestand an mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Büchern der wertvollste Bestandteil der alten Stadtbibliothek. Die Begersche Bibliothek wurde mit anderen städtischen Bücherbeständen, die sich teils im Rathaus, teils in der Steuerstube (dem Steueramt) befanden, und mit der 1518 vom Rat gestifteten Prädikaturen-Bibliothek, die Beger zuvor schon geordnet hatte, zu einem Ganzen vereinigt. Bis zum Jahre 1773 wurde die Bibliothek in ununterbrochener Folge von den direkten Nachkommen des Bibliotheksstifters Matthäus Beger betreut. Auch sie vermachten ihre jeweiligen Privatbibliotheken der Stadtbibliothek.

1.3 Der zweite große Zuwachs geht auf eine Stiftung nach dem Vorbild Begers zurück. Der aus Reutlingen stammende, als Assessor der philosophischen Fakultät Leipzig jung verstorbene Gelehrte Johannes Carl Neuschel(l)er (1632-1666) vermachte seine nicht unbedeutende Büchersammlung ebenfalls seiner Heimatstadt. Während die Begersche Bibliothek ihren Schwerpunkt bei den naturwissenschaftlich-technischen Fächern hat, überwogen in der Bibliotheca Neuschelleriana die philologisch-philosophischen und historischen Schriften.

1.4 Durch Kauf wurde vom 17. bis zum 19. Jh vor allem juristische (für den Ratsgebrauch), theologische (für die Prädikanten) und medizinische Literatur (für die Bedürfnisse der Stadtärzte) angeschafft. Im März 1767 erwarb der Rat der Stadt von der Erbengemeinschaft der Reutlinger Familie Schmid deren Familienbibliothek, die im wesentlichen aus juristischer Literatur bestand. Die große Zahl juristischer Dissertationen aus dieser Bibliothek wurde später als Makulatur wieder verkauft.

1.5 Beim politischen Übergang der vormals freien Reichsstadt Reutlingen an Württemberg wurde auch eine Bestandsaufnahme und Schätzung der Stadtbibliothek vorgenommen. Der damalige Stadtbibliothekar Christoph Jakob Enßlin (1743-1804), der ab 1803 zugleich Amtsbürgermeister von Reutlingen war, stellte in seinem Bericht vom 12. Juni 1803 fest, daß die Stadtbibliothek zu diesem Zeitpunkt 4004 Bde umfaßte, mit einem geschätzten Wert von 1344 Gulden. Diese 4004 Bde verteilten sich wie folgt auf sechs Fachgruppen: Theologie 772 Bde, Jurisprudenz 1050, Medizin 703, Geschichte 705, Philosophie 321 sowie Mathematik 453 Bde. Die neue Obrigkeit bestimmte, daß " die öffentliche Bibliothek der Stadt gnädigst zu belassen sei". Lediglich die aktuelle juristische Literatur sollte ins Rathaus überführt und die für Schulzwecke nützliche Literatur der Reutlinger Lateinschule überlassen werden.

1.6 Während die Stadtbibliothek den verheerenden Reutlinger Stadtbrand von 1726 ohne Schaden überstanden hatte, traten im 19. Jh durch Bücherverkäufe verschiedene Verluste ein. Der gravierendste Aderlaß war sicher der Verkauf von 12 kostbaren alten Drucken, die der Stadtbibliothekar Wilhelm Kapff (1814-1877) 1843 (im Jahr nach seinem Amtsantritt) im Auftrag der Stadtpflege durchführen mußte. Immerhin gelang es Kapff noch vor seiner zeitweiligen Amtsenthebung als Anhänger der 1848er-Bewegung, die Bibliothek neu zu ordnen und einen in sieben Fachgruppen unterteilten Katalog zu erstellen, der 1850 im Druck erschien.

1.7 Gegen Ende des 19. Jhs war die Bibliothek " aufs neue in Verwirrung" (so Friderich in der Vorrede seines Katalogs, s. u. 3.3) geraten. Deshalb wurde der Rektor des Reutlinger Lyzeums, Karl Friderich (1836-1904), der seit 1875 auch Stadtbibliothekar war, vom Gemeinderat mit der Neuaufstellung der Bibliothek und der Erstellung eines neuen Katalogs beauftragt. Der Katalog erschien 1903 und umfaßt einschließlich Nachtrag 6950 Nummern. Friderich teilte die Bibliothek in 13 Fachgruppen ein und stellte die Bücher ohne Rücksicht auf die Formate nach der Nummernfolge seines Kataloges auf. Bis heute fungieren die Friderich-Nummern als Signaturen des Altbestands. Lediglich die Inkunabeln und Hss. wurden im Zuge der Neukatalogisierung mit neuen Signaturen versehen und separat aufgestellt. Die Umsignierung des historischen Altbestands, verbunden mit der Neukatalogisierung der Drucke des 16. und 17. Jhs, ist in Vorbereitung.

1.8 Abgesehen von einigen Legaten im 20. Jh und gezielten Zukäufen älterer Literatur (Reutlingensien und landeskundliche Schriften) in den letzten 25 Jahren, hat der Bestand an Drucken vor 1900 auch heute noch im wesentlichen den Umfang wie zu Friderichs Zeiten. Die historische Stadtbibliothek wurde schon um 1840 im sogenannten Spendhaus (dem ehemaligen Kornspeicher der Reichsstadt) untergebracht, wo sie mit einer Unterbrechung (von 1872 bis 1898) bis 1985 verblieb. Die moderne Volksbücherei wurde 1952 ebenfalls ins Spendhaus verlegt und dort 1958 mit der alten Stadtbibliothek unter dem Namen Stadtbücherei vereinigt. Seit 1979 trägt die Gesamtbibliothek wieder den historischen Namen Stadtbibliothek. In den Jahren 1982 bis 1985 wurde unmittelbar neben dem Spendhaus ein großzügiger Bibliotheksneubau errichtet, der ganz auf die Bedürfnisse der modernen Stadtbibliothek als Volksbücherei ausgerichtet ist. Der historische Bestand ist im selben Gebäude in einem klimatisierten unterirdischen Sondermagazin untergebracht.

2. BESTANDSBESCHREIBUNG

2.1 Die Bestandsbeschreibung basiert auf dem immer noch gültigen, wenn auch fehlerhaften gedruckten Katalog von 1903 sowie auf der Durchsicht des gesamten Altbestands im Hinblick auf seine Neuaufstellung und die Neukatalogisierung der Hss. und der Drucke des 15. bis 17. Jhs. Die systematische Übersicht folgt weitgehend der Fachgruppeneinteilung des Katalogs von 1903.

Chronologische Übersicht und Übersicht nach Sprachen

2.2 Für den Magazinbestand der alten Stadtbibliothek wurden selbst in jüngster Zeit noch verschiedene, teilweise stark voneinander abweichende Zahlen genannt (1969: 17.797 Bde; 1973: 17.733; 1985: 30.000; Ende 1992: 13.872). Die auf internen Erhebungen der Bibliothek beruhende Zahl von 1992 dürfte der Wirklichkeit am nächsten kommen. Etwa 9000 bis 10.000 Bde der ca. 14.000 Bde des magazinierten Altbestands sind vor 1900 erschienen.

2.3 Die Bibliothek besitzt 118 Inkunabeln, von denen 99 im gedruckten Katalog von 1976 sowie 5 Neuerwerbungen in einem gedruckten Ergänzungsblatt von 1979 beschrieben sind. Ein Ergänzungsband mit der Beschreibung aller seit 1976 erworbenen oder neuentdeckten Inkunabeln sowie der Hss. der alten Stadtbibliothek ist in Vorbereitung. Aus dem 16. Jh stammen ca. 1100 Drucke, von denen allein rund 400 zur Theologie gehören. Mit rund 3300 Drucken ist der Bestand an Drucken des 17. Jhs noch umfangreicher. Auch dabei stellt die Theologie mit ca. 900 Drucken den Hauptanteil. Danach folgen Rechts- und Staatswissenschaften mit knapp 600 Drucken. Alle naturwissenschaftlichen Fächer zusammen, die bisher auf mindestens drei Fachgruppen der alten Aufstellung verteilt sind, enthalten insgesamt mehr als 1000 Drucke des 17. Jhs. Mehr als die Hälfte aller Drucke des 16. und 17. Jhs steckt in Sammelbänden. Der restliche historische Bestand dürfte ungefähr zu einem Drittel dem 18. und zu zwei Dritteln dem 19. Jh angehören.

2.4 Bei den Sprachen dominieren Latein und Deutsch. Von den Inkunabeln sind nur 5 deutschsprachig, alle anderen in Latein. Bei den Drucken des 16. bis 18. Jhs ist das Verhältnis zwischen Latein und Deutsch nahezu ausgewogen. Bei den Drucken des 16. und 17. Jhs besteht noch ein Übergewicht des Lateins gegenüber dem Deutschen (ungefähr im Verhältnis von 60 zu 40). Hebraica sind, abgesehen von zwei Bibeln und einigen polyglotten Wörterbüchern, nicht vorhanden. Auch sind einschließlich Bibeln und Wörterbüchern nur rund 30 griechische Ausgaben im Bestand. Die modernen Fremdsprachen sind nur gering vertreten, allerdings mit einigen seltenen Ausgaben im Bereich der Mathematik und übrigen Naturwissenschaften. Rund 80 französischsprachigen Drucken des 16. bis 18. Jhs stehen etwa 40 italienischsprachige des gleichen Zeitraums gegenüber. Englische, spanische und niederländische Texte sind jeweils nur mit wenigen älteren Ausgaben vertreten. Singulär ist der Geschichtskalender des Daniel Adam z Veleslavina von 1590 in tschechischer Sprache.

Systematische Übersicht

2.5 Der historische Bestand im Fach Theologie besteht aus ca. 820 Bdn. Durch die zahlreichen Sammelbände des 16. und 17. Jhs ergibt sich die relativ hohe Zahl von rund 400 Drucken des 16. und fast 900 Drucken des 17. Jhs. Im Vergleich zu den einschlägigen Beständen alter Universalbibliotheken wie z. B. der Württembergischen Landesbibliothek oder großer Kirchenbibliotheken, handelt es sich um kein außergewöhnlich gut gepflegtes Fach. Außer durch einige Kirchenväter-Ausgaben des 16. und 17. Jhs, zu denen noch die knapp 100 theologischen Schriften der Inkunabelsammlung kommen, ist die vorreformatorische und die spätere katholische Theologie nur schwach repräsentiert. Aber auch der Bestand an Reformationsdrucken ist für eine protestantisch geprägte historische Stadtbibliothek nicht besonders reichhaltig. Von Luther und Melanchthon sind zusammen nicht einmal 40 ältere Ausgaben vorhanden, darunter bei Luther wenigstens die beiden Jenaer Ausgaben der lateinischen und deutschen Werke (1556-1562). Am besten vertreten sind die württembergischen Theologen des 16. bis 18. Jhs, beginnend mit Johannes Brenz und Johannes Oekolampad und fortgesetzt durch Jakob Andreä, Aegidius Hunnius und die verschiedenen Osiander. Unter den meist Tübinger Theologen des 17. und 18. Jhs sind hervorzuheben Matthias Hafenreffer (1561-1619), Melchior Nicolai (1578-1659), Tobias Wagner (1598-1680) und Christoph Matthäus Pfaff (1686-1760). Unter den nichtwürttembergischen protestantischen Theologen, von denen jeweils mehrere Werke vorliegen, sind der Helmstedter Professor Georg Calixt, der Ostpreuße Abraham Calovius, der Elsässer Johann Conrad Dannhauer, der Rotenburger Prediger Johann Ludwig Hartmann, Sebastian Schmid(t) sowie der Pietist Johann Wilhelm Petersen zu nennen. Der einzige katholische Kontroverstheologe, von dem 6 Werke einschließlich der protestantischen Gegenschriften vorhanden sind, ist der Jesuit Jodocus Kedd.

2.6 Abgerundet wird der Bestand der Theologie durch eine Gruppe von ca. 30 Bibeln (meist deutsche und lateinische Übersetzungen, aber auch eine Polyglotte von 1599 sowie insgesamt 3 lateinisch-griechische bzw. -hebräische Ausgaben des 16. Jhs) sowie mindestens 9 Sammelbände mit Leichenpredigten, die zum überwiegenden Teil in Stuttgart und Tübingen gedruckt wurden und württembergische Personen betreffen.

2.7 Die Rechts- und Staatswissenschaften bilden mit mehr als 1300 Bdn, unter denen sich ebenfalls zahlreiche Sammelbände befinden, die umfangreichste Fachgruppe des historischen Bestands. Etwa 100 Drucke stammen aus dem 16. und fast 600 aus dem 17. Jh. Vertreten sind nahezu alle Zweige der Rechts- und Staatswissenschaften vom römischen Recht und Völkerrecht bis hin zum Prozeß- und Verwaltungsrecht mit Literatur zu praktischen Rechtsfragen, die für die Verwaltungsjuristen einer selbständigen Reichsstadt wichtig war. Ein besonderer Schwerpunkt der Literatur des 16. bis 18. Jhs liegt beim deutschen Staatsrecht und den ständischen Rechten, die für den Status einer freien Reichsstadt von Bedeutung waren. Bei der Literatur des 18. und 19. Jhs dominiert das württembergische Recht mit allen seinen Verästelungen, das nach dem Übergang Reutlingens an Württemberg allein maßgebend war.

2.8 Das kleine Fach Philosophie mit rund 150 Bdn überschneidet sich mit der Philologie (240 Bde). Durch die relativ große Anzahl von Sammelbänden umfassen diese Gruppen zusammen immerhin knapp 140 Drucke des 16. und rund 460 Drucke des 17. Jhs. Der größte Teil dieser älteren Drucke entstammt dem Legat des 1666 verstorbenen Johannes Carl Neuscheler ( s. o. 1.3). Die im strengen Sinn philosophische Literatur beschränkt sich auf einige Ausgaben antiker Philosophen samt Kommentaren sowie auf einige Descartes- und Hobbes-Ausgaben. Die Philosophie des 18. und 19. Jh fehlt fast völlig. Auch die Philologica sind fast ganz auf die Altphilologie ausgerichtet. Dazu kommt eine größere Zahl neulateinischer Autoren des 16. und 17. Jhs. Bemerkenswert sind einige englische, französische und italienische Grammatiken des 17. Jhs.

2.9 Nach der bisherigen Einteilung bildet die Schöne Literatur mit der Literaturgeschichte und den deutschen Übersetzungen (meist antiker Klassiker) eine eigene Fachgruppe. Auch sie überschneidet sich mit den Philologica, da sie ebenfalls einige Ausgaben neulateinischer Autoren und die Übersetzungen der antiken Klassiker enthält. Von den rund 400 bis 1900 erschienenen Bänden gehört mehr als die Hälfte zu der lückenlosen Reihe der Bibliothek des Litterarischen Vereins Stuttgart (1842 ff.). Unter den wenigen älteren Ausgaben deutscher Literatur ist hinzuweisen auf einige frühe Hans-Sachs-Drucke, die sich bis auf einen in einem Sammelband des 16. Jhs befinden, sowie auf die 5 Originalausgaben des Barockautors Eberhard Werner Happel. Bei der deutschen Literatur des 18. bis 19. Jhs ist lediglich die Sammlung der Werke des aus Reutlingen stammenden Hermann Kurz (1813-1873) erwähnenswert, die im Hinblick auf Vollständigkeit weitergeführt wird und auch die Literatur über Kurz umfaßt.

2.10 Das Fach Geschichte, das bisher in " ältere" und " neuere Autoren" unterteilt war, besteht aus rund 1000 Bdn, von denen fast zwei Drittel aus dem 19. Jh stammen. Der ältere Teil enthält ca. 50 Drucke des 16. Jhs und knapp 200 des 17. Jhs. Unter den älteren Werken findet sich eine Reihe von Universalgeschichten und Weltchroniken in wertvollen und teilweise seltenen Ausgaben, wie die von Johannes Nauclerus (Vergenhans), Sebastian Franck oder Johannes Carion (Nägelin). Von Carions Chronik ist auch eine französische Übersetzung von 1595 der von Melanchthon und Caspar Peucer erweiterten Fassung vorhanden. Des weiteren ist auch ältere Literatur zur antiken Geschichte und zur deutschen Geschichte vertreten (vor allem aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und danach). Ältere Literatur liegt aber auch vor zur Geschichte der wichtigsten europäischen Länder einschließlich Rußlands. Etwas ausgefallen in diesem Bestand ist eine deutschsprachige Geschichte Brasiliens von 1659 oder die lateinische Geschichte Maltas von 1660. Bemerkenswert ist der tschechische Geschichtskalender von 1590 ( s. o. 2.4). Erwartungsgemäß finden sich auch einige Titel zur Türkengefahr, die entsprechende Schriften im Fach der Theologie ergänzen. Unter den wenigen Titeln zur Kirchengeschichte fallen vor allem einige Schriften zur Geschichte des Jesuitenordens auf.

2.11 Bei der Literatur aus dem 19. Jh sind alle Bereiche der Geschichte vertreten, von der Weltgeschichte bis zur Geschichte einzelner Staaten, Regionen und Epochen. Vor allem die Geschichte des 19. Jhs selbst ist im deutschen Bereich mit den wichtigsten Werken und so gegensätzlichen Autoren wie Georg Gottfried Gervinus und Heinrich von Treitschke repräsentiert. Es finden sich fast alle großen Namen der deutschen Geschichtsschreibung dieses Jahrhunderts mit mindestens einem Werk, an erster Stelle von Ranke, von dem die große Werkausgabe (1867-1890) und weitere Einzelausgaben vorhanden sind. Besondere Seltenheiten enthält dieser neuere Bestand jedoch nicht. Hinzuweisen ist auf die von Franz Wigard herausgegebenen, 9 Bde umfassenden Stenographischen Berichte über die Verhandlungen der deutschen konstituierenden Nationalversammlung von 1848/49, die eine wichtige Quelle zur Geschichte der Frankfurter Paulskirche sind.

2.12 An die allgemeine und überregionale Geschichte schließen die Württembergica an, von denen ungefähr 500 Bde aus der Zeit vor 1900 stammen. Dieses Fach wurde besonders seit dem 19. Jh gepflegt und noch in jüngster Zeit durch antiquarische Zukäufe (vor allem von Reutlingensien) ergänzt. Im älteren Bereich enthält es unter anderem die großen schwäbisch-württembergischen Geschichtswerke von Martin Crusius, Johann Ulrich Pregizer, Christian Friedrich Sattler und Johann Ulrich Steinhofer. Die Württembergica umfassen jedoch nicht nur geschichtliche Literatur, sondern auch landeskundliches Schrifttum im weitesten Sinne. So wurden z. B. die Werke des aus Reutlingen stammenden Nationalökonomen Friedrich List (1789-1846) und die Literatur über ihn zu den Württembergica gestellt. Die List-Sammlung wird bis heute weitergeführt. Einen besonderen Bereich der Württembergica bilden die Schriften über Stadt und Landkreis Reutlingen sowie über Stadt und Universität Tübingen. Im Gegensatz zum gesamten übrigen Bestand der alten Stadtbibliothek sind die Württembergica zum überwiegenden Teil nicht im unterirdischen Magazin untergebracht, sondern zusammen mit neuerer landeskundlicher Literatur als Präsenzbibliothek im sogenannten Studienkabinett aufgestellt.

2.13 Die wertvollsten historischen Bestände finden sich in den Fächern, die fast ganz auf die Stiftung des Bibliotheksgründers Matthäus Beger zurückgehen ( s. o. 1.2). Es handelt sich vor allem um Mathematik, Astronomie, Technik und angewandte Naturwissenschaften sowie um Militaria. Beger erlernte als Sohn eines Reutlinger Tuchscherers zunächst ebenfalls dieses Handwerk. Zur Ausbildung wurde er nach Ulm geschickt, wo er sich mit dem Rechenmeister Johannes Faulhaber (1580-1635) anfreundete, der ihn in seinen privaten mathematisch-naturwissenschaftlichen Studien unterstützte. Die Beschäftigung mit den genannten Disziplinen wurde seine Leidenschaft, der er bis ans Lebensende seine gesamte Freizeit widmete. Um die Fachliteratur lesen zu können, lernte Beger außer Latein mehrere moderne Fremdsprachen, darunter sogar das Niederländische. Von 1612 bis 1660 exzerpierte und übersetzte er sich alle ihm wichtigen Schriften aus den genannten Fachgebieten. Mehr als 30 von Beger eigenhändig angefertigte Hss. befinden sich ebenfalls in der Bibliothek. Seit 1627 war Beger für die Ausbildung der Reutlinger Bürgerwehr zuständig. Ab 1639 wurde er insgesamt siebenmal zum regierenden Bürgermeister seiner Vaterstadt gewählt. Diese städtischen Aufgaben in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges zwangen ihn u. a. zur intensiven Beschäftigung mit militärischen Problemen, was sich auch in seiner Bibliothek niederschlug. Durch Begers Stiftung besitzt die Bibliothek einen ansehnlichen Bestand älterer Militaria, vor allem aus dem Bereich der Waffentechnik (" Büchsenmeisterei", Artillerie, Ballistik, Feuerwerkerei) und der Befestigungslehre. Darunter befinden sich auch einige seltene Werke in englischer, französischer, italienischer und niederländischer Sprache.

2.14 Das Gros der mehr als 200 Drucke des 16. und der rund 700 Drucke des 17. Jhs aus Begers Bibliothek gehört in den Bereich der Mathematik und Astronomie. Bei der Mathematik liegt der Schwerpunkt auf der Geometrie, Trigonometrie und vor allem der Logarithmenrechnung, die Beger besonders faszinierte. Er erwarb fast alle wichtigen Schriften zur damals gerade erfundenen Logarithmenrechnung unmittelbar nach ihrem Erscheinen, darunter auch die kostbare Erstausgabe der Mirifici logarithmorum canonis descriptio von John Napier (1614). Beger besaß aber auch eine stattliche Sammlung deutscher Rechenbücher des 16. und 17. Jhs sowie Literatur zum praktischen und kaufmännischen Rechnen, darunter ein italienisches Handbuch von Giovanni Mariani für die Hand des Kaufmanns (1564). Die Werke seines Ulmer Freundes Johannes Faulhaber, die teilweise Grenzbereiche der Mathematik betreffen oder in andere Fächer übergreifen, sind fast lückenlos vorhanden.

2.15 Ebenso bedeutend wie Begers Sammlung mathematischer Schriften ist der Begersche Bestand an astronomischer Literatur. Allein von Johannes Kepler, zu dessen Freundeskreis Beger in Beziehung stand, sind etwa 20 astronomisch-mathematische Schriften vorhanden. (Die Reutlinger Exemplare sind in der maßgebenden Bibliographia Kepleriana von Max Caspar nachgewiesen). Aber auch die anderen großen Astronomen des 16. und 17. Jhs sind (mit Ausnahme des Kopernikus, von dem nur eine Amsterdamer Ausgabe von 1617 vorhanden ist) mit zeitgenössischen Ausgaben vertreten. Daneben finden sich auch einige Schriften, die sich mit der Astrologie auseinandersetzen. Die für das 17. Jh typische Kometenliteratur ist vor allem durch einige Sammelbände reichhaltig vertreten. Großen Wert legte Beger auch auf Literatur über astronomisch-mathematische Instrumente wie den Proportionalzirkel oder vor allem das Astrolabium.

2.16 Die Medizin einschließlich Pharmazie und Naturkunde umfaßt knapp 600 Bde, darunter ca. 40 Drucke des 16. und mehr als 400 Drucke des 17. Jhs. Auch hier finden sich noch einige Bände aus Begers Besitz. Der Rest sind fast ausschließlich Drucke des 18. Jhs, die wohl für die Bedürfnisse der Reutlinger Stadtärzte angeschafft wurden. Ein Teil der älteren Literatur stammt vermutlich auch aus Legaten ehemaliger Stadtärzte. Hervorzuheben ist aus diesem Bestand eine größere Zahl von Medizinal- und Apothekenordnungen des 17. und 18. Jhs verschiedener deutscher Städte und Regionen sowie 17 Sammelbände, hauptsächlich mit süddeutschen medizinischen Dissertationen zwischen 1660 und 1740. Aus dem 16. und frühen 17. Jh sind einige illustrierte Kräuter- und Pflanzenbücher vorhanden, z. B. von Hieronymus Bock, Otto Brunfels, Jacques Dalechamps oder Pier Andrea Mattioli. Aus dem 18. Jh ist noch die sechsbändige Nürnberger Ausgabe des Herbarium (1750-1773) der Elizabeth Blackwell zu nennen.

3. KATALOGE

3.1 Moderne allgemeine Kataloge

Alphabetischer Zettelkatalog

[Magazinierter Bestand der alten Stadtbibliothek; Aufnahmen nach PI]

Der Bestand der alten Stadtbibliothek ist im Zentralkatalog Baden-Württemberg nachgewiesen.

3.2 Sonderkataloge

Alphabetische und Sachkataloge der landeskundlichen Literatur zu Baden-Württemberg im Studienkabinett

Amelung, Peter: Katalog der Inkunabeln der Stadtbücherei Reutlingen. Reutlingen 1976 (Ergänzungsblatt " Erster Nachtrag" vom März 1979)

3.3 Historische Kataloge

Bibliotheca Begeriana bipartita. Reutlingen o. J.

[Hs.; Matthäus Begers eigenhändiger Katalog seiner Bibliothek]

Bibliotheca Begeriana generalis. Reutlingen 1677

[hschr. Gesamtkatalog der Stadtbibliothek; Teil 1 mit dem Titel " Bibliotheca Begeriana Technica" enthält den von Beger gestifteten Bestand, Teil 2 die " Bibliotheca Neuschelleriana". Die vier weiteren Teile verzeichnen in vier Sachgruppen den übrigen, nicht auf die beiden Stiftungen zurückgehenden Bestand der Bibliothek. In diesen Teilen wurden bis zum Beginn des 19. Jhs die Neuzugänge nachgetragen.]

Bibliothecae juridico-historicae Reuttlingensis Index nominalis et realis. Reutlingen 1751 [hschr. Ergänzung zu dem 1677 angelegten Katalog der Stadtbibliothek]

Bibliothecae theologico-philosophicae sive Neuschelerianae Reuttlingensis Index nominalis et realis. Reutlingen 1751 [weitere hschr. Ergänzung zu dem 1677 angelegten Katalog der Stadtbibliothek]

Kapff, W[ilhelm]: Bücher-Verzeichnis über die Bibliothek der Stadt Reutlingen ... systematisch und alphabetisch geordnet. Reutlingen 1850

Friderich, Karl: Katalog der Bibliothek der Stadt Reutlingen. Systematisch und alphabetisch neugeordnet. Reutlingen 1903

4. DARSTELLUNGEN ZUR GESCHICHTE DER BIBLIOTHEK

4.1 Archivalien

Akten zur Geschichte der Bibliothek befinden sich im Stadtarchiv Reutlingen und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Dazu s. auch Renate Decke-Cornill, Repertorium bibliotheksgeschichtlicher Quellen. Wiesbaden 1992, S. 108

4.2 Darstellungen

Pfeiffer, Gustav: Stadtbücherei Reutlingen. In: Öffentliche Büchereien in Baden-Württemberg 1969. Hrsg. von den Staatlichen Büchereistellen Freiburg, Heidelberg, Reutlingen, Stuttgart. o. O. 1969, S. 24-29 [auch als Sonderdruck erschienen]

Widmann, Hans: Vom Buchwesen der alten Reichsstadt Reutlingen. In: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 4 (1967) S. 7-42, besonders S. 28-30 und 40-42 [Wiederabdruck in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 9 (1969) Sp. 449-490, besonders 486-490]

Junger, Gerhard: Die Reutlinger Stadtbibliothek am Anfang des 19. Jhs. In: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 12 (1974) S. 79-82

Amelung, Peter: Einleitung. In: ders.: Katalog der Inkunabeln der Stadtbücherei Reutlingen. Reutlingen 1976, S. 7-13

Schuler, Albert: Wege zur neuen Reutlinger Stadtbibliothek. In: Stadtbibliothek Reutlingen. Bild- und Textdokumentation anläßlich der Einweihung am 8. September 1985. Reutlingen 1985, S. 25-29

Junger, Gerhard: Die Reutlinger Stadtbibliothek vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jhs. In: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 29 (1990) S. 119-138

Kungl, Hans: Stationen der Reutlinger Stadtbibliothek. In: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 29 (1990) S. 97-118

Stand: November 1993

Peter Amelung


Quelle: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Digitalisiert von Günter Kükenshöner.
Hrsg. von Bernhard Fabian. Hildesheim: Olms Neue Medien 2003.