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Warmherzig-sympathischer Heimatfilm in oberbayerischem Dialekt
Beste Zeit. - Regie: Marcus Rosenmüller. - 2008. - 1 DVD, 91 Min.
Kati und Jo sind beste Freundinnen im oberbayerischen kleinstädtischen Tandern und auf der Suche nach der besten Zeit im Leben. Nachts mit einem VW-Bus im Wald, einem Bier, einer Zigarette den 17. Geburtstag mit der besten Freundin feiern. Diesen um Mitternacht vor dem Haus in einen Graben fahren und schmerzlich erfahren müssen, wer die wahren Freunde im Leben sind. Die halbe Nacht von der Disko nach Hause wandern und bei Morgenanbruch ins Bett kriechen. Die zerreißende und unsichere Zeit des Erwachsenwerdens durchleben, die erste Liebe erfahren und die unvermeidlich bittere Enttäuschung. Gegen den Vater im schwierigen Alter mit aller Gewalt aufbegehren und ihm die eigenen Grenzen aufzeigen. Auf dem Bauernhof mithelfen und sich nur noch vom Großvater verstanden wissen. Von den Eltern ein Austauschjahr in den USA geschenkt bekommen und sich plötzlich mit einem Heimatgefühl und Fragen und Entscheidungen konfrontiert spüren, von denen man nicht wusste, dass sie in einem rumoren. Fernweh versus Heimweh, Freiheit oder Geborgenheit, Provinz oder Ausland, Vertrautheit oder neue Erfahrungen.
Mit einem sympathieverdächtigen oberbayerischen Dialekt, ruhigen Einstellungen, unspektakulären Landschaftsaufnahmen, einer bestechenden Natürlichkeit der Darsteller und leisem Humor schenkt uns Marcus Rosenmüller (Wer früher stirbt, ist länger tot) einen warmherzigen Heimatfilm für einen kurzweiligen und sentimentalen Heimkinoabend.
Tanja Schleyerbach
Der 2. und 3. Teil der Trilogie, "Beste Gegend" und " Beste Chance", befinden sich ebenfalls im Medienbestand.
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Die Queen entdeckt den Bücherbus und was daraus folgt
Bennett, Alan: Die souveräne Leserin. - Berlin: Wagenbach, 2008. - 114 S.
"Wir haben einen Bücherbus", sagte die Queen abends zu ihrem Gatten. "Kommt jeden Mittwoch". "Feine Sache. Es gibt noch Wunder." Oh weh, die Begeisterung des königlichen Gatten wird sich legen. Denn nachdem die Queen durch Zufall über den Bücherbus der städtischen Bibliothek im Küchenhinterhof des Windsor-Palastes gestolpert ist, wird sich einiges ändern. Die Königin entdeckt die Welt der Bücherregale, und sie wird zur Leserin. Und das wirbelt das Hofleben mehr und mehr durcheinander.
Kann sich ihr Privatsekretär Sir Kevin noch darauf verlassen, dass sie das notwendige Interesse für das Vorgespräch zur Besichtigung eines Verkehrsforschungsinstituts aufbringt? Nein, denn die Queen muss ja die ausgeliehenen Bücher zurückzubringen. Winkt die Queen höchst königlich aus der Staatskarosse? Nein, denn Winken und Lesen gleichzeitig geht nicht. Nimmt die Queen pflichtbewusst ihre Repräsentationstermine wahr? Nein, denn die Queen hat eine leichte Erkältung und genießt die Freuden des Lesens im Bett. Und nachdem sie diese Freuden genossen hat, ist sie bedacht, sie weiterzugeben. Der französische Präsident kommt ganz schön in die Bredouille, wenn Ihre Königliche Majestät mit ihm auf dem abendlichen Galadinner ein Gespräch über Jean Genet führen will. Das Hofzeremoniell kommt durcheinander.
Lesen ist einfach nicht kompatibel mit Repräsentationspflichten. Lesen ist interessanter als Repräsentieren. Lesen ist zunehmend ein Dorn im Auge des Hofpersonals. Lesen ist subversiv. Selbst die Hunde der Queen hassen ihre Bücher. Und als die Queen anfängt, über das Gelesene nachzudenken, sich Notizen zu machen und Schlüsse zu ziehen, dann kriegen der Premierminister und der Kronrat auch noch kalte Füße....
Die "Souveräne Leserin" ist ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt. Eine kleine, oft ironische und manchmal sarkastische Geschichte, die einfach Vergnügen macht. Ein wunderschöner roter Leineneinband, ein schmales Format, ein auf das Wesentliche reduziertes Titelbild. Alan Bennett ist einer der populärsten britischen Schriftsteller, bekannt durch die BBC und erzählt mit feinem britischem Humor.
Andrea Däuwel-Bernd
Der Titel ist auch als Hörbuch und in englischer Sprache entleihbar.
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Schimpfen als hohe Kunst betrieben
Lewitscharoff, Sibylle: Apostoloff. Roman. Suhrkamp, 2009. - 247 S.
Zwei Schwestern aus Deutschland auf der Fahrt durch Bulgarien. Während ihr bulgarischer Fahrer Apostoloff versucht, ihnen die Schönheiten des Landes nahe zu bringen, sind die beiden hauptsächlich damit beschäftigt, mit Bulgarien im Allgemeinen und ihrem bulgarischen Vater im Besonderen abzurechnen. Der in Stuttgart praktizierende Frauenarzt schied vor Jahren durch Selbstmord aus dem Leben und überschattete ihre Kindheit in Stuttgart-Degerloch mit seiner Schwermut. "Unglück, das dieses Aas von einem Vater auf Häupter und Herzen seiner Töchter geladen hat".
Unmittelbar vor dieser Reise hatten beide an der Rückführung der Leichname von 19 Exilbulgaren, darunter dem ihres Vater, von Stuttgart nach Sofia in einem Konvoi schwarzer Limousinen teilgenommen. Das klingt nach schwerer Kost. In Begleitung dieser sprachmächtigen Autorin aber wird die Bulgarienfahrt zu einem Lesevergnügen, das mit ständig neuen, skurrilen Bildern überrascht. Hier wird vor ernstem Hintergrund lustvoll gestichelt, gelästert und polemisiert, die Verwandlung ins Groteske kultiviert: "Miezmiez, sage ich zu einem Hund, da sich mein Bedürfnis, die Bulgaren lächerlich zu machen, auch auf ihre Hunde erstreckt." Aber keine Sorge, auch zu den Schwaben hat Lewitscharoff ein durchaus gespaltenes Verhältnis.
Für diesen Roman mit autobiographischen Bezügen wurde die in Stuttgart geborene Autorin, studierte Religionswissenschaftlerin, im Frühjahr 2009 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet, wie ich finde, hoch verdient.
Dorothea Werner
Der Titel ist auch als Hörbuch entleihbar.
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Nacktes Grauen nahe an der Realität
Sherko Fatah: Das dunkle Schiff. - Jung und Jung, 2008. - 420 S.
Sherko Fatah sagte bei seiner Lesung in der Stadtbibliothek Reutlingen, er habe ein Buch über Gewalt geschrieben. Fatah macht dies auf eine beiläufige Weise, die mich frieren lässt. Bedrohlich harmlos beginnen seine Geschichten, und doch weiß man instinktiv, dass sie böse enden werden. Wie die beiden Frauen, die bereits im Prolog aus dem offenen Helikopter geworfen werden. Kerims Vater, der von irakischen Geheimdienstagenten vor der Augen seiner Familie und Gäste zu Tode gefahren wird. Die Menschen des Dorfes der Ungläubigen, denen von dem fanatischen Untergrundkämpfer Mukthar genüsslich die Kehle durchgeschnitten wird. Oder wie Kerim am Ende von einem angeblichen Freund erstochen wird.
Fatah lässt viel Raum für Fantasien, indem er in Rückblenden erzählt. Wenn er diesen Raum füllt, zeigt er das nackte Grauen. Aber nicht nur. Er berichtet auch von der abenteuerlichen Flucht seines Protagonisten Kerim in einem Schiffsbauch nach Deutschland, von dessen liberalen Onkel, der ihn mit offenen Armen aufnimmt und erst zu spät Weg weisende Worte findet. Von einem Asylbewerberverfahren in Deutschland, die Liebe zu einer Deutschen und dem Gefühl der Heimatlosigkeit und Entwurzelung. Von der Suche nach Identität, die der ohne Glauben aufgewachsene Kerim bei den Gotteskriegern findet, die ihn nach dem Tod seines Vaters entführt haben - und doch flieht er vor ihnen. Fatah erzählt von Kerims brennender Sehnsucht und der Suche nach Gemeinschaft, Geborgenheit und Aufmerksamkeit durch den Anführer der Gotteskrieger, zugleich aber von Abstand und fehlender Nähe, einem inneren Doppelleben und dem Bemühen, möglichst unauffällig zu leben. Nach außen hin wirkt Kerim "rein" und "unschuldig". Seine Welten vermischen sich jedoch immer wieder und lassen ihn straucheln.
Der Sohn einer Deutschen und eines Irakers berichtet detailgetreu und scharf beobachtend von zwei Kulturen und von zwei Ländern, die er gut kennt. Er kommt der Denkweise und den Methoden der Gotteskrieger gefährlich nahe. Es ist ein Buch über Schuld, über das sich Treibenlassen, über die Verführung und die Glut des Fanatismus und wohin er führt. Es ist kein Buch über den Glauben oder den Islam. Kerim wird schon sehr früh schuldig, er weiß es, und er wird es doch immer wieder. Dabei ist er kein unsympathischer Junge. Aber ihm fehlt der Halt, Wärme und ein Zugehörigkeitsgefühl. Vielleicht fehlt ihm auch einfach nur ein liebevoller Vater.
Tanja Schleyerbach
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