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Die Wirtschaft schwächelt, die Business-Class-Geschichten werden immer stärker
Martin Suter: Das Bonus-Geheimnis und andere Geschichten aus der Business-Class. - Diogenes Verl., 2009. - 185 S.
Schon gehört, das ist die letzte Business Class. Ach, das darf nicht wahr sein! Wer sonst außer Martin Suter entlarvt die Welt der Manager so gnadenlos und ultrakurz unterhaltsam? Da treibt es einem die Tränen in die Augen, dass dies der letzte Band der "Business Class Geschichten" sein soll. Der Schweizer Schriftsteller schrieb seit Jahren Kolumnen über das Wirtschaftsleben in der Schweizer Weltwoche, und diese Erzählungen aus der abgedrehten Welt der globalisierten Unternehmen sind einfach Kult. In den neuesten Geschichten geht es um Bonuszahlungen, um das chronisch gestresste Privatleben und wie immer um Befindlichkeiten, Eitelkeiten, Neid und Missgunst. Das Ganze so auf den bitterbösen Punkt gebracht, dass man unwillkürlich Gänsehaut bekommt. Wenn Pfister in höchster Präzision inhaltsleer präsentiert, Erni neue humoristische Managmenttechniken ausprobiert, Weder völlig mit sich im Reinen beim Qi Gong den Abbau von Personalpositionen beschließt oder das Brainstorming für das jährliche Kundenweihnachtsgeschenk zur Diskreditierung des Konkurrenten dient, dann ist wieder Businesszeit pur und höchstes Lesevergnügen angesagt. Frauen dürfen sich in falscher Sicherheit wiegen, denn sie sind in diesen Geschichten nicht präsent, es sei denn als maulende Ehefrauen und kaffeetragende Sekretärinnen. Aber Achtung: haben sie nicht die gleichen Macken und Schwächen? Satirische Erzählungen nicht nur für Männer! Andrea-Däuwel-Bernd
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Filmtipp zum Weltalphabetisierungstag am 8. September
Miss Daisy und ihr Chauffeur. Regie: Bruce Beresford. - 1989. - 1 DVD, 95 Min.
Die betagte Südstaatenlady Miss Daisy lebt in den 50-er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit ihrer Hauhaltshilfe Idella sorglos in ihrer Villa, bis sie eines Tages ihre Luxuskarosse schrottreif fährt und ihr Sohn Boolie ihr daraufhin umgehend und gegen ihren Willen mit Hoke einen etwas jüngeren, farbigen Chauffeur vor die Nase setzt. Dieser trägt Miss Daisys Ablehnung allerdings mit bewundernswerter Gelassenheit und Würde. Hoke ist Analphabet, versucht dies aber zu verbergen, indem er sich hinter Zeitungen versteckt. Miss Daisy zeigt überraschenderweise zum ersten Mal Menschlichkeit, als sie diese Schwäche an ihm entdeckt, schenkt ihm verstohlen eine alte Fibel, und Hoke müht sich fortan mit dem Buchstabenlernen ab. Zwischen dem ungleichen Paar entwickelt sich im Lauf der Jahre eine tiefe Freundschaft, was Miss Daisy Hoke gegenüber auf eine ungewohnt rührend-offenherzige Weise sogar auszusprechen vermag. Den Film durchweht eine bittersüße Note, weil er zielsicher Rassenunterschiede thematisiert und feinsinnig in kleinsten Szenen und Dialogen betroffen macht, ohne ein sentimental-kitschiges Klischee zu bedienen und andererseits einen würdevollen Umgang mit dem Alter pflegt. Das wirklich ausgezeichnete Schauspielerpaar Morgan Freeman und Jessica Tandy erhebt diese warmherzige Komödie zu einem durchweg unterhaltsamen Filmjuwel der späten 80er. Tanja Schleyerbach
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Ein Leichenbeschauer ermittelt als Amateurdetektiv in Laos
Coterill, Colin: Dr. Siri und seine Toten. - Fischer Taschenbuch Verl., 2008. - 317 S.
Coterill, Colin: Dr. Siri sieht Gespenster. - Manhattan Verl., 2009 - 318 S.
Wider Willen zum (einzigen!) Leichenbeschauer im Auftrag der laotischen Regierung ernannt, gerät Dr. Siri unfreiwillig mit seinem Team in die Rolle des Amateurdetektivs. Ganz nebenbei erfährt der Leser so einiges über die politische Situation nach der kommunistischen Revolution im Laos der 70-er Jahre. Was diese Krimis so besonders macht, sind ihre übersinnlichen Ingredienzien. Gute und böse Geister spielen eine ganz natürliche Rolle bei den Geschehnissen. Im ersten Band "Dr. Siri und seine Toten" erfährt Siri beim Besuch eines Eingeborenenstammes im laotischen Regenwald, dass er die Reinkarnation eines berühmten Schamanen ist, der tausend Jahre zuvor gelebt hat. Dem eigentlich rational denkenden und ganz und gar unreligiösen Siri wird da erst klar, was es mit den verstörenden Träumen auf sich hat, die ihn hin und wieder heimsuchen und ihm eine ganz andere Sicht auf die Dinge aufzwingen, als die offensichtliche. Dies alles gewürzt mit einer kräftigen Portion subversivem Humor - ein Krimi mit Suchtcharakter! Marlies Waedt
Dr. Siri und seine Toten ist auch als Hörbuch entleihbar.
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Türkei für Einsteiger - ein Beitrag zur Interkulturellen Woche vom 26.09. bis 04.10.2009
Großbongardt, Annette: Istanbul Blues - Die Türkei zwischen Tradition und Moderne. - Rowohlt, 2008. - 218 S.
Vielleicht sollte das Buch "Istanbul Blues", das ebenso gut "Türkei für Einsteiger" heißen könnte, zur Pflichtlektüre für westliche Politiker, Geschäftsleute und Deutsche mit türkischen Kontakten werden. Anatolien und Istanbul, Schulbildung für alle und Fortschrittsdenken, EU-Einbindung und Minderheitenpolitik, Menschenrechtsfragen und Geschichtsklitterung, Demokratie und Intoleranz, Islam und Laizismus - in neun auch unabhängig lesbaren Kapiteln beschreibt die Spiegel-Korrespondentin fernab von Stereotypen, wie differenziert "Türken ticken", wie in sich zerrissen das türkische Volk ist, was sie eint und welch bedeutende Rolle Mustafa Kemal Atatürk mit der brachialen Einführung der Republik, der lateinischen Schrift, des Säkularismus und der ohne Rücksicht auf gewachsene Traditionen diktierten konsequenten Öffnung zum Westen ohne Beispiel in der Geschichte heute noch im Denken und Handeln aller Osmanen jedweder politischen Couleur einnimmt. Der erbitterte Kampf um die leidige Kopftuchfrage - religiös-fundamentalistisches Symbol oder freier Ausdruck des muslimischen Glaubens -, die in der Türkei stärker als in jedem anderen Land zu einem Politikum stilisiert wird und selbst deutsche Feministinnen einmal mehr in ihrer Intoleranz entlarvt, wird ebenso fundiert geschildert wie der Aufstieg und die Rolle der islamisch ausgerichteten regierenden AKP, die die sozialistische Kemalistenpartei CHP an Toleranz, Weitsichtigkeit, Fortschrittlichkeit, Reformwillen, Demokratieverständnis und in ihrer Fähigkeit, selbst hartgesottene Kemalisten für sich zu gewinnen, seit geraumer Zeit offensichtlich links überholt hat. Die Türkei, die auf eine wechselvolle Geschichte zurückblickt, mit der sie jedoch noch nicht selbstkritisch umzugehen vermag, strebt ungeachtet aller religiösen Entwicklungen seit den späten 50er Jahren in die Europäische Gemeinschaft, deren Mitglieder ihr bis heute nicht auf Augenhöhe begegnen. Ganz sicher ringt die Türkei als zwischen Orient und Okzident angesiedeltes Land am intensivsten um seine Identität (in Europa), und das macht seine Bevölkerung in allen ihren Widersprüchlichkeiten wiederum so sympathisch. Der Nationalstolz, das Statusdenken, die Familienehre, Empfindlichkeiten, gewachsene Traditionen, die Bedeutung des Militärs, Unberechenbarkeiten, Mehrdeutigkeiten und gelebte Emotionen wie auch die herzliche Gastfreundschaft und Großzügigkeit, all dies will beachtet werden, wenn man sich auf türkischem Parkett bewegt und in der interkulturellen Begegnung mit türkischen Menschen Missverständnisse und Fauxpas vermieden werden sollen. Nach der Lektüre habe ich auch verstanden, warum mein muslimischer Autodoktor sonntagmorgens regelmäßig den Fernsehgottesdienst verfolgt und unsere türkischen Nachbarn, die uns alljährlich zum Opferfest mit einer beachtlichen Portion Hammelfleisch versorgen, uns zum Einzug ausgerechnet ein Set an Wein- und Sektgläsern überreicht haben.
Tanja Schleyerbach
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