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Zwei schwangere Frauen als WG
Kleine Schiffe / Regie: Matthias Steurer. - 1 DVD, 2013. - 89 Min.
Franziska ist Mitte vierzig. Ihr Kinderwunsch blieb bis jetzt unerfüllt, stattdessen treibt sie ein Ordnungswahn und Kontrollzwang durch ihr behütetes Leben. Völlig unerwartet trifft sie deswegen ihre Schwangerschaft und der Auszug ihres Mannes. Getrieben von ihrer Angst, eine Risikoschwangere zu sein, will sie ihr Kind abtreiben. In der Beratungsstelle, die den notwendigen Schein für einen Abbruch ausstellen muss, lernt sie eine junge Schwangere, Lilli, kennen. Franziska ist von dem Lebensoptimismus der jungen Frau beeindruckt. Lilli denkt nicht an einen Schwangerschaftsabbruch, obwohl ihre Ausgangsbedingungen alles andere als gut sind. Eines Tages steht Lilli vor Franziskas Haustüre und will bei ihr unterkommen. Ist natürlich schwierig für Franziska, sie ist eine zwangsgesteuerte Person und Lilli spontan und chaotisch. Trotzdem versuchen die beiden, zusammen zu leben.
Spannend und lustig ist dieser Film, vor allem durch die Darsteller, manchmal etwas vorhersehbar, aber immer unterhaltsam mit tiefgründigen Momenten. Sehenswert.
Beate Reichmann
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Letzte Tage im Irak
Fatah, Sherko: Der letzte Ort. Luchterhand, 2014. - 283 S.
Was man von den jungen Leuten im Westen hört, klingt wie Verwahrlosung. Als hätten eure Eltern, eure Gesellschaften irgendwann die Kontrolle über euch verloren. Das nennt ihr Freiheit. Jeder macht den Unsinn, der ihm gerade einfällt, und so werdet ihr alt. Und damit es hier genauso wird, schickt ihr eure Panzer her.
Diesen Satz lässt Sherko Fatah Osama zu Albert sagen, und er kommt damit dem Denken nicht weniger Menschen, die der Konsum, die Beliebigkeit und die zügellose Freiheit in den westlichen Ländern befremdet und verunsichert, vermutlich sehr nahe. Albert und Osama sind die Protagonisten in „Der letzte Ort“, aber die Strippen ziehen andere: Schiiten, Sunniten, Entführer, Kinderkämpfer, Menschen, die den einzig wahren Glauben zu besitzen meinen und die Welt mit aller Gewalt und um jeden Preis damit beglücken und alles andere vernichten wollen. Die Anderen sind die Kreuzfahrer (die USA), die Ungläubigen (die Christen), die Häretiker (die Sunniten).
Albert, der ostdeutsche Aussteiger, und der liberale Iraker Osama, sein Übersetzer und Bindeglied in eine unbekannte Welt - ein ungleiches Paar mit einer inneren Verbindung, trotz aller kulturellen und menschlichen Unterschiede - arbeiten zusammen im irakischen Nationalmuseum und werden entführt. Was folgt, ist eine beklemmende Irrfahrt mit vielen Übergaben voller Ungewissheit durch den Irak in zunehmend einsamere Gebiete. Immer enger zieht Fatah die Schlinge, zwischendurch glaubt und hofft man, die Beiden könnten wie durch ein Wunder von ihren unvorstellbaren Qualen doch noch befreit werde. Die Stimmung ist bedrückend, bedrohlich und eiskalt. Es gibt keinen Ausweg, auch nicht Geld kann die Beiden vor ihrem Schicksal retten. Osama ist so gut wie frei, als er wieder umkehrt, um Albert aus den Fängen der Entführer zu retten.
„Ich kenne Dich nicht“ ist ein Satz, der immer wieder fällt. „Stehst Du noch auf meiner Seite“ ein anderer. Das Misstrauen hat seinen Weg in die Freundschaft gefunden, die auf die härteste vorstellbare Probe gestellt wird, und vor allem Osama bewährt sich in ihr. Dafür muss er erfahren, dass sein Glaubensbruder Abdullah, inzwischen zum Scheich aufgestiegen, ihn zunächst befreien möchte, dann jedoch nur wenige Foltermethoden auslässt, um an gewünschte Informationen zu gelangen.
Die Welt, die Fatah beschreibt, ist für Menschen aus einem anderen kulturellen Lebensumfeld nicht nachvollziehbar. Da ist die Armut und die viele Zeit, in der man sich willkürliche Grausamkeiten gegen Andersdenkende und -handelnde ausdenken kann, da ist eine geschlossene Männergesellschaft, in der Frauen nichts zählen und ein Menschenleben auch nicht, da ist blinder Hass und eine hohe Gewaltbereitschaft, weil man nichts zu verlieren hat, sondern glaubt, seine Seele zu gewinnen, wenn man für die vermeintlich rechte Sache tötet, vernichtet und stirbt.
Die Gespräche und Geschehnisse am letzten Ort der Beiden hinterlassen ein deutliches Unbehagen, weil sie so nah an der Realität zu sein scheinen. Weil die verblendeten Fanatiker keine Grenzen und keine Menschenliebe kennen und alles zu opfern bereit sind, um die Menschen aus dem westlichen Lebensraum und ihre Kultur zu vernichten.
Tanja Schleyerbach
Der Autor mit kurdischen Wurzeln wurde mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Adelbert-von-Chamisso-Literaturpreis 2015.
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Frauen in Afrika, Syrien und in der Türkei
Shoneyin, Lola: Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi. - Büchergilde Gutenberg, 2014. - 352 S.
Bolanle wird die 4. Ehefrau des Patriarchen Baba Segi. Der Einzug der jungen gebildeten Akademikerin ins Haus stört das empfindliche Gleichgewicht der Frauen. Nur eine Schwangerschaft kann Bolanles Situation in der Ehe verbessern. Als sie sich deshalb mit ihrem Ehemann im Krankenhaus untersuchen lässt, setzt das fatale Entwicklungen in Gang. Der Roman erzählt aus Sicht von vier Frauen von einer polygamen Ehe in Nigeria. Erstaunlich, welche unterschiedlichen Schicksale sich auftun und welche Beweggründe und Hoffnungen sie in eine polygame Ehe führen. Im Roman geht es nicht nur um patriarchalische Strukturen, sonder auch um Geld und Macht. Die nigerianische Autorin Lola Shoneyin erkundet die Motive der Frauen mit viel Humor und Verständnis.
Wannous, Dima: Dunkle Wolken über Damaskus. Erzählungen. - Edition Nautilus, 2014. -128 S.
Dima Wannous erzählt vom Leben der Menschen vor Beginn der syrischen Revolution 2011. In neun Erzählungen entsteht ein Bild der syrischen Gesellschaft kurz vor dem Krieg. Die junge Ehefrau Sahar, der Taxifahrer Samih, die Redakteurin Maha stehen beispielhaft für die Menschen in Syrien, für Machtverhältnisse, Feindschaften und Rivalitäten. Sie zeigen das gesellschaftliche Spektrum in einem arabischen Staat.
Die junge Autorin wurde 1982 in Damaskus geboren, studierte an den Universitäten in Damaskus, Paris und Lyon und lebt zur Zeit in Beirut. Sie war Moderatorin und schreibt für arabische Tageszeitungen.
Ghata, Yasmine: Die Nacht der Kalligraphen. Amman, 2007. -
Die Autorin, eine junge französische Kunsthistorikerin, erzählt die Lebensgeschichte ihrer Großmutter Rikkat Kunt. Yasmine Ghata lässt Rikkat ihr Leben erzählen, als sie gerade gestorben ist, gleichsam als Botschaft aus dem Jenseits. Es ist ein Frauenleben in der Türkei zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Atatürk das Land in die Moderne führt und Frauen trotz familiärer Verpflichtungen eine Chance auf eigenständige Leistungen und Freiheiten bekommen. Die Leidenschaft für islamische Kalligraphie führt Rikkat nach dem Studium als Professorin an die Universität und lässt sie in der Männerdomäne Kalligraphie neue Akzente setzen. Die Leidenschaft für die Kunst, zwei gescheiterte Ehen und der Verlust eines Sohnes bestimmen ihr Leben. Ein sehr poetisches Buch, in dem die Auseinandersetzung mit der Kunst der Kalligraphie und ihre Bedeutung in der islamischen Welt im Mittelpunkt stehen.
Andrea Däuwel-Bernd
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