Empfehlungen Dezember 2015/Januar 2016
Eine außergewöhnliche Annäherung an das Christentum
Kermani, Navid: Ungläubiges Staunen. Über das Christentum. C.H. Beck, 2015. - 302 S. Tanja Schleyerbach |
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Zweimal Kunst
Andrea Däuwel-Bernd |
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Zwei Frauen auf dem Land
Hansen, Dörte: Altes Land. - Knaus Verlag, 2015.- 198 S. Es gibt in diesem Roman noch viele andere traurige und lustige Geschichten mit ihren besonderen Personen. Dadurch ist die Handlung immer abwechslungsreich und spannend zugleich. Man liest das Buch in einem Zug durch und lacht dabei viel, zum Beispiel wenn die Autorin von Vollwert-Müttern redet, die im Bio-Supermarkt einkaufen. Die Ironie von Dörte Hansen hat auch sicherlich in der Darstellung von Stadt- und Landleben einen Funken Wahrheit. Die Sprache ist schön, das Buch ist prima. Einfach lesen. Beate Reichmann
Zwei Welten prallen in Dörte Hansens Romanpremiere aufeinander: Vera Eckhoffs Leben auf dem Land voller Eigensinn und Widerspenstigkeit und das ihrer Nichte Anne aus Hamburg-Ottensen, die mit ihrem Sohn Leon aus Hamburg zu Vera flieht, weil sie die ehrgeizigen Vollwerteltern nicht mehr erträgt und ihr Mann mit seiner geschwängerten Lektorin eines Nachmittags nackt am Küchentisch sitzt. Anfangs in zwei Handlungssträngen verlaufend, werden diese alsbald zusammengeführt und münden in dem ländlichen Leben zweier Frauen mit beträchtlichem Altersunterschied und differenten Lebensgewohnheiten. In Rückblenden erfährt man über ihre Vergangenheit, über das niemals Angekommensein eines Flüchtlingskindes, dem eine entscheidende Eigenschaft für eine gelingende Integration fehlt: Demut. So wird sie eigenbrötlerisch, und doch scheint sie nicht unglücklich zu sein. Dörte Hansen entlarvt, analysiert und trifft mit spitzer Feder die aufgeblasenen, inhaltsleeren Lebensgewohnheiten der Gutverdienenden und deren vergängliche Floskeln, und man kann sich mehr als einmal ertappt fühlen bei ihren Sezierungen der Gesellschaft, die nichts und niemanden verschonen. Ihre markigen Sätze sitzen, sind herrlich präzise und bisweilen erschreckend zynisch, gespickt mit plattdeutschen Sprüchen. Am Rande passiert aktive Sterbehilfe ebenso wie das Drama einer modernen Trennung, lebenslang unverarbeitetete Kriegstraumata prägen die Geschichte und deren Menschen ebenso wie nachbarschaftliche und familiäre Kampfszenen in allen Spielarten. Familienaufstellungen finden nicht beim Therapeuten statt, sondern im wahren Leben, entliebte Beziehungen werden zeitgemäß abgewickelt, und die Schmerzen für die Verlassenen subtil spürbar. Unterhaltsam verpackte Gesellschaftskritik mehrerer Lebenswelten und Generationen, der Stoff, aus dem das Elend ist, Dörte Hansen hat offenbar das Leben durschaut, durchlitten, durchlebt. Die promovierte Linguistin aus Husum, Jahrgang 1964, ist Journalistin, Redakteurin und Autorin. Tanja Schleyerbach |
Tanja schleyerbach
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Vögel wider den LagerkollerScheuer, Norbert: Die Sprache der Vögel. - C.H. Beck, 2015. - 237 S. Die Sprache der Vögel Afghanistans müsste der Titel eigentlich lauten. Und der Untertitel: Paul Arimonds Zeit im Krieg. Und dann sind wir mittendrin im Leben des Protagonisten Paul Arimond, der 2003 als Sanitäter der Bundeswehr nach Afghanistan kommt, in dem sein Urahn Ambrosius schon die Univerversalsprache der Vögel studiert und darüber Aufzeichnungen hinterlassen hat. Pauls Lichtblick im Lager mit vier Nationen sind die Vögel, seltene Exemplare, die er vom Turm aus beobachtet und für die er sogar einen Lagerausbruch mit dramatischen Folgen riskiert. Erst im Lauf der Tagebuchaufzeichnungen und Briefe wird Pauls Geschichte vollständig offenbar: seine Schuldgefühle Jan und dessen Mutter gegenüber, weil er das Auto gesteuert hat, in dem Jan schwer verunglückt ist. Seine verkorkste Beziehung zur Mutter, die undefinierte zu Teresa, seine Männerfreundschaft im Lager und nach dem Ausbruch seine Isolation, der Lageralltag und der Lagerkoller. Es ist ein stilles, eher unscheinbares Buch, das die Folgen der Sinnlosigkeit und der Traumata des Krieges auf sehr subtile Art zum Ausdruck bringt am Beispiel des Paul Arimond, dessen dramatisches Hinübergleiten in eine surreale Welt erst gegen Ende zur vollen Entfaltung gelangt. Norbert Scheuer hat sein Buch mit zahlreichen Vogelzeichnungen bereichert. Tanja Schleyerbach |
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Musik als Melting Pot
11 famous songs tenderly messed up / Tobias Hoffmann Trio – Köln: Klaeng Records, 2015 – 1 CD Stile zu mixen ist in der Musik eine erprobte Methode, um wiederum neue Musik zu erfinden. Spätestens seitdem die Weltmusik die Bühnen und Zuhörer erobert hat, sind in allen anderen Bereichen der Musik die Grenzen gefallen. Es erscheint dabei fast mühelos, wenn sich ein Geigenvirtuose erfolgreich in die Rockmusik begibt oder sich ein Volkmusiker weit von seinen Wurzeln bewegt. Vielleicht sind es gerade die Jazzmusiker, die sich allen voran seit gut einem halben Jahrhundert den Einflüssen aus anderen Musikkulturen ernsthaft geöffnet haben. Die Zahl der gelungenen Beispiele für eine Synthese der verschiedensten Musikstile scheint mittlerweile unübersehbar. Und immer wieder gibt es hierfür neue Beispiele. Die achtköpfige Gruppe Hazmat Modine kommt aus New York, und ihre Musik wurzelt im amerikanischen Blues und Folk. Ihre Besetzung, welche Blasinstrumente wie Saxophon, Trompete, Posaune und Tuba mit Harmonika, Gitarre und Drums kombiniert, erinnert in ihrem Sound zwar an traditionell orientierte Musik. Es ist aber die Stimme des Ton angebenden Sängers und Kopfes des Ensembles, Wade Schuman, die der Musik eine andere Aura verleiht. Das ist sphärischer Blues der Extraklasse! Einen anderen Charme versprüht die Musik des jungen deutschen Jazzgitarristen Tobias Hoffmann, die durch den unverkennbaren Klang seiner Gitarre besticht. Zwar dienen ihm auf seiner neuen CD 11 berühmte Songs als Vorlage für seine Musik, doch Hoffmann geht mit seinen musikalischen Partnern Frank Schönhofer (Bass) und Etienne Nillessen (Drums) ganz eigene musikalische Wege. Die Fülle seiner Ausdrucksmöglichkeiten ist groß, und die Klangwelten der drei Musiker entführen in neue Gefilde der Elektrifizierung. Verfremdung heißt hier das Zauberwort. Axel Blase |