Empfehlungen April/Mai 2016
Bekannte Märchen mal anders!
Sondheim, Stephen: Into the woods. – Walt Disney Records, 2014, 1 CD Der Soundtrack „Into the woods“ mit Text und Musik von Stephen Sondheim, welcher auch "West Side Story" zu ihrem Ruhm verholfen hat, ist eine sehr vielfältige CD, welche im Dezember 2014 heraus kam, passend zur Ausstrahlung des Films in den Kinos. In ihr werden die alt-bekannte Märchen bunt zusammengewürfelt und neu interpretiert. Das humorvolle und zu Herzen gehende Musical von Stephen Sondheim und James Lapine, welches hier von Disney neu verfilmt wurde, folgt der klassischen Geschichte von Cinderella (Anna Kendrick) und ihrem Prinzen (Chris Pine), Rotkäppchen (Lilla Crawford), Jack und die Bohnenstange (Daniel Huttlestone) und Rapunzel (MacKenzie Mauzy), die alle durch eine originäre Geschichte verbunden sind. Diese bildet auch den roten Faden durch den Film. Sie handelt von einem Bäcker (James Corden) und seiner Frau (Emily Blunt), ihrem gemeinsamen Wunsch nach einem Kind und dem Zusammenspiel mit der Hexe (Meryl Streep), welche einen Fluch auf sie gelegt hat, der ihnen dieses Glück untersagt. Die Schauspieler singen alle selbst, und so entsteht eine bunte Mischung an Liedern, welche alle für sich einzigartig sind. Von witzigen Stücken wie „Agony“, dem parodistische Prinzensong in dem Aschenputtels und Rapunzels Prinz sich in Liebeskummer zu übertreffen versuchen, zum leicht gruseligen Lied vom Wolf, gesungen von Johnny Depp, über Lieder mit mutige Heldentaten und Riesen sowie Liebesliedern ist alles geboten. Auch der Prolog ist Sondheim wieder einmal besonders gut gelungen, ein Ohrwurm ist damit garantiert! Die für Filmmusicals typischen, textlastigen Songs als Solo, Duett oder Ensembleszene und die Art, wie die Handlung durch die Lieder vorangetragen wird, oder auch mal kurz auf der Stelle tritt, ist hierbei richtiggehend faszinierend und fesselnd. Auch der Spiegel lobt Sondheims Texte als „grandios in Witz und Schnelligkeit“. Hannah Diesch |
Hannah Diesch |
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Familiäre Offenbarungen
Haushofer, Marlen: Wir töten Stella. Das fünfte Jahr. Novellen. – List, 2014. – 109 S. In „Wir töten Stella“ wird das Psychogramm einer Ehe, einer Familie gezeichnet. Richard ist der geborene Verräter, dessen Körper zum unaufhörlichen Genuss befähigt ist. Er geht unentwegt fremd, auch mit dem Hausmädchen, das er tief verachtet, und das er so lange gebraucht, wie sie nützlich für ihn ist, ohne ein wirkliches Interesse an ihr zu haben. Stellas Suizid, im Nachhinein als Unfall getarnt nach einer nur vage angedeuteten Abtreibung, er ist konsequent, auf ihn läuft das Grauen hinter den vier Wänden hinaus in einer Familie, die sich durch Wegsehen und gewähren lassen des Grauenvollen, durch das dem Sohn und der Tochter Vorspiegeln einer heilen Familienwelt in hohem Maße verschuldet an Stella, dem einfachen Mädchen mit der gestohlenen Kindheit. Immer tiefer wird man in den Sog, den Aufschrieb der Mutter und Ehefrau, Anna, hineingezogen, fesselnd bis zum letzten Satz ist diese kurze Novelle. Auch in „Das fünfte Jahr“ tritt das Unerträgliche zwischen den Zeilen hervor. Dass die Großmutter, bei der die Marili aufwächst, in tiefer Trauer ist, weil keines ihrer vier Kinder mehr lebt und warum, erfährt man ganz nebenbei. Dass die Großmutter Schuldgefühle hat. Und dass Reue viel mehr wehtut als Zahnweh oder sonst ein Weh. Marili erfindet Träume für den Großvater und geht mit der Großmutter zum Grab der Mutter, die sie nicht kennt. Wir erleben, wie Marilis Welt sich verändert, Risse bekommt, sie Bienen vor dem Winter rettet und daraufhin erfahren muss wie eine tote Maus in ihr Leben tritt. Und dennoch ist ihre Welt auf eine gewisse Weise heil, weil geschlossen.
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Tanja Schleyerbach |
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Bayerisch-sizilianische Dolce Vita Isolde Oberreiter, genannt Poldi, ist eine resolute Münchnerin, die zu ihrem 60. Geburtstag nach Sizilien auswandert. Von Schicksalsschlägen gebeutelt und schwermütig will sie sich in der Heimat ihres verstorbenenen Ex-Mannes gepflegt „zu Tode saufen“. Wenn schon sterben, dann mit Meerblick! Tante Poldis schriftstellender Neffe chauffiert sie gen Süden und besucht sie monatlich. Ihm erzählt sie bei jedem Besuch, was sich inzwischen ereignet hat. Leider spielen das Leben und der Tod so ganz anders, als Tante Poldi es eigentlich vorhatte, denn unversehens ist mitten drin in einer Mordermittlung und einem italienischen Liebesdramolett. Valentino, ein junger Mann, der ihr manchmal im Garten aushilft, ist auf einmal verschwunden. Tante Poldi entdeckt kurz darauf seine Leiche am Strand. Statt die Aufklärung des Falls dem zuständigen und, wie Poldi findet, attraktiven Commissario Montana zu überlassen, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln und kommt dabei vielen Leuten in die Quere und in Gefahr. Der Roman ist ein herrlicher Mix aus Bayern und Italien, aus Krimi und Liebesgeschichte, aus Fröhlichkeit und Schwermut, aus Lachen und Nachdenken und viel sizilianischer Dolce Vita. Vor allem von dem Hörbuch mit Philipp Moog als Sprecher bin ich total begeistert. Diese Mischung aus „Bayerisch“ und „Italienisch“ ist einfach genial! Ulrike Dahl Demnächst im Medienbestand: Tante Poldi und die Früchte des Herrn |
Ulrike Dahl |
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Stille kaukasische Schönheit
Die Maisinsel. – Regie: George Ovashivili. – 2015. - 96 Min. - 1 DVD Jedes Jahr im Frühjahr entstehen im reißenden kaukasischen Fluss Enguri kleine, fruchtbare Inseln, Oasen für wildes Leben, aber auch für die Menschen. Der alte Farmer Abga erobert sich mit seiner sechzehnjährigen Enkelin Asida dieses Land und baut für wenige Monate eine provisorische Hütte, gräbt mit ihr den Boden um und baut Mais an, um zu überleben. Gefährlich wird die Situation für die beiden, als Asida einen verwundeten Soldaten entdeckt, der sich in den Maisfeldern verborgen hält. Georgier, Russen und Kasachen bekämpfen und belauern sich gegenseitig, und Abga und Asida gelingt es, den Deserteur im wachsenden Maisfeld vor seinen Verfolgern zu schützen. Die bedrohlichen Besuche der Soldaten auf der Insel, deren Beobachten der sich waschenden Asida im Fluss, es sind unbehagliche Szenen, die Ovashivili zeichnet. Unvermeidlich, dass sich Enguri die Insel bald wieder zurückholt – wird es für das Einfahren der Ernte und das Übersetzen ihrer beiden Bewohner an das rettende Ufer noch reichen? Ein stiller und dennoch dramatischer Film, der das beschauliche, gefährliche und sich langsam vollziehende Leben, das Aufblühen von Asidas Gefühlen und faszinierende Landschaftsbilder einfängt und dafür zahlreiche Preise erhielt. Tanja Schleyerbach |
Tanja Schleyerbach |
Planet Mensch
Planet Mensch. Eine mikroskopische Filmsafari. - Regie: Pierre-Francois Gaudry. - 1 DVD, 2014. - 90 Min. Diesen Film vergessen Sie nicht so schnell. Womöglich wollten Sie nie so genau wissen, wie es auf und in Ihrem Körper aussieht und vor allem: wer oder was ihn bewohnt. In Makroaufnahmen sind es Landschaften und Mikroorganismen, die sichtbar werden wie nie zuvor. Der Mensch beherbergt mehr Bakterien als Zellen, aus denen sein Körper zusammengesetzt ist. Pierre-Francois Gaudry vergleicht in Filmaufnahmen den menschlichen Körper mit den Naturgebieten der Erde und macht dadurch verblüffende Parallelen sichtbar: Höhlen, Dschungel, Seen und zahllose Lebewesen finden sich in beiden Landschaften. Planet Mensch gewährt uns faszinierende und überraschende Einblicke in eine Welt, die uns näher nicht sein könnte. Tanja Schleyerbach |
Tanja Schleyerbach |