Empfehlungen Dezember 2016/Januar 2017
Musiklexikon mit HumorLeveratto, Pietro: Die Musiktherapie. Songs und Stücke für Lebens- und Stimmungslagen aller Art. – Hanser, 2015. - 415 S. Musik hilft immer, und Pietro Leveratto bietet mit seinem Buch Rezepte gegen bzw. Hilfestellungen für Alltagssituationen, Probleme oder sogar die Midlife-Crisis. So empfiehlt er The Beatles mit „Here comes the sun“ gegen Wetterfühligkeit, The Smiths für Schüchterne, Pygmäengesang für Workaholics und Elvis Presley für Menschen mit Fernweh. Mit Witz und Charme greift er Begriffe auf und führt in die Themen ein, unterlegt sie mit musikalischen Beispielen und Playlists, ganz wie ein Lexikon. Leveratto zeigt, wie Musik das Leben spiegeln und erleichtern kann, von Jazz bis Pop, von der Opernarie bis zum blutdrucksenkendsten Lied der Welt, welches den passenden Titel „Weightless“ trägt. Dieses Buch ist eine musikalische Entdeckungsreise mit historischen Fakten und lustigen Anekdoten. Und man findet so das ein oder andere in Vergessenheit geratene Lied wieder! Hannah Diesch |
||
|
Globaliserung und Wohlstand für andere
La Buena Vida – Das gute Leben. – Regie: Jens Schanze. – 1 DVD, 2015. - 94 Min. Was hat das Leben von Jairo Fuentes, dem Anführer einer nordkolumbianischen Dorfgemeinschaft, mit dem Leben in Deutschland zu tun? Was hat es mit unserem Wohlstand und Komfort zu tun? Auf den ersten Blick zunächst einmal nichts. La Buena Vida verändert die Sichtweise auf diese Frage. Jairo Fuentes ist der junge Anführer der Wayúu-Indianer, die in Tamaquito ein Leben in Sicherheit mit allem Lebensnotwendigen führen. Doch der mit 700 km² weltweit größte Kohletagebau, die El-Cerrejón-Mine, rollt immer näher an die Dorfgemeinschaft heran. Eines Tages wird das Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden, damit deutsche, niederländische und britische Kohlekraftwerke Strom für die Bevölkerung ihrer Länder erzeugen können. Ein Umsiedelungsprogramm wird konzipiert, und den Einwohnern werden Wohlstand, landwirtschaftliche Erträge und bessere Häuser versprochen. Es ist klar, dass sie an dem neuen Standort keinen gleichwertigen Zugang zu Wasser haben werden, und damit sind ihre Erträge nicht mehr gesichert. Als die Menschen ihr Dorf und die Berge verlassen müssen, um in einer seelenlosen Landschaft in Häusern, mit denen sie nichts anzufangen wissen, ein neues Leben zu beginnen, wird offenbar, wie sehr nicht nur das fehlende Wasser zum Problem wird, sondern auch ihre Seelen niemals dort ankommen werden. Was ist mit den Geistern, die sie bisher begleitet haben? Werden sie mitkommen? Das gute Leben kommt nicht erst, es ist vorbei. Wenigstens für die versprochenen Wasseranschlüsse will Jairo kämpfen, und dafür reist er zu den Versammlungen der großen Aktiengesellschaften, die und deren Aktionäre mit dem Strom auf Kosten der Indianer viel Geld verdienen. Er bleibt unerhört, wird lächerlich gemacht, und das Versinken der Menschen in Nordkolumbien in Armut und kultureller Entwurzelung scheint greifbar nahe. Ein wichtiger Film, um zu verstehen, wie sehr die Globalisierung alle Regionen der Erde tangiert und warum unser Leben damit verwoben ist. Ein kleines PS: Auch in Deutschland werden 10 000 Menschen in den nächsten Jahren ihre Heimat im Rheinland, in der Lausitz und in Mitteldeutschland verlieren. Ganze Landstriche mit ihrem ökologischen und kulturellen Reichtum, Dörfer mit alten Häusern, Kirchen und Friedhöfen werden dem Braunkohlabbau und damit dem Wohlstand in Deutschland geopfert. Tanja Schleyerbach |
|
|
Von Liebe, Abhängigkeit und einer wundersamen VerwandlungGarnett, David: Dame zu Fuchs. Roman. - Dörlemann, 2016. - 154 S. Dame zu Fuchs ist das Erstlingswerk des britischen Schriftstellers David Garnett (1892-1981). Garnett schrieb groteske und märchenhafte Romane, in denen er mittels Gegenüberstellung von Mensch und Tier Gesellschaftskritik übte. Die Handlung ist schnell zusammengefasst: als das frisch verheiratete Ehepaar Tebrick eines Tages in einem Wäldchen spazierengeht, verwandelt sich die Ehefrau plötzlich und unerwartet in einen Füchsin. Das stellt ihr Zusammenleben und ihre Liebe auf eine harte Probe. David Garnett erzählt vor dem Hintergrund einer elementaren Verwandlung von Liebe und Abhängigkeit. "Dame zu Fuchs“ ist ein märchenhaftes Buch, das ausgehend von einer unglaublichen Begebenheit Fragen an den Leser richtet: Was ist Liebe? Wie weit geht sie? Wohin führt sie? Ein kleiner Roman, der sich zu lesen lohnt. Andrea Däuwel-Bernd |
|
Seltsame Vorgänge am 24. Dezember
Bröger, Achim: Mein 24. Dezember. - Arena, 2002. - 54 S. Flocki ist ein junger Hund und wundert sich über das komische Verhalten seiner Familie. Die drehen nämlich durch: Papa z.B. stellt einen Baum in der Wohnung auf. Der ist aber nicht für Flocki, der sich schon gefreut hat, nun nicht mehr vor dem Haus sein Bein heben zu müssen. Und wieso putzt der Kleinste freiwillig die Schuhe? Und warum zerspringen die Bälle am Baum, wenn man dagegen haut? Und was hat es mit dem Mann auf sich, der einen roten Mantel an hat und den Flocki hier noch nie gesehen hat? Alles sehr verdächtig! Achim Bröger beschreibt in „Mein 24. Dezember“ auf sehr lustige Art, wie Hund Flocki etwas fassungslos das eigentümliche Benehmen der Menschen an Weihnachten erlebt. Barbara Münz |
||
|
Leben und Schreiben ist eines
Berlin, Lucia: Was ich sonst noch verpasst habe. - Arche, 2016. - 381 S. Hier kommt ein Geheimtipp der amerikanischen Shortstory-Literatur. Lucia Berlin wurde 1936 in Alaska geboren, ihre Geschichten entstanden in den 1960er bis 1980er Jahren und wurden in Erzählbänden und Zeitschriften veröffentlicht. Von 1994 bis 2000 war sie Dozentin für Kreatives Schreiben. Sie starb 2004 in Los Angeles. 2015 wurden ihre Erzählungen neu in den USA herausgegeben und liegen jetzt auch in deutscher Übersetzung vor. Für Lucia Berlin war Leben und Schreiben eines. Als Tochter eines Bergbauingenieurs wuchs sie in den Rocky Mountains auf, lebte als Kind in El Paso und nach dem 2. Weltkrieg in Chile. Später lebte sie in Kalifornien und Colorado. Wegen ihrer vielen Reisen, Wohnortwechsel, ihrer familiären Herkunft und ihren vielfältigen Jobs handeln die Geschichten von Unterwegssein und der Zerrissenheit zwischen bürgerlicher Herkunft und sozialem Absturz. Mit ihrer Sprache, den ungeschönten Schilderungen ganz unterschiedlicher Milieus und ihren Figuren ähneln ihre Erzählungen denen von Carson McCullers, und Joan Didion. Mexikanische Mütter im Teenageralter, Drogendealer und Krankenschwestern, Putzfrauen und kommunistische Lehrerinnen lässt sie aufeinandertreffen. Verwahrlosung, Sucht, Krankheit, gescheiterte Beziehungen, Liebe und Gewalt – vieles davon autobiographisch - sind ihre Themen. Unbedingt lesen! Andrea Däuwel-Bernd |
|
Freilernerkinder aus aller Welt
Etre et Devenir. - Regie: Clara Bellar. – 1 DVD, 2015. - 99 Min. Wie wäre es, wenn mein Kind nicht zur Schule ginge? Clara Bellar hat Familien aufgesucht und begleitet, die diese Entscheidung getroffen haben – überall auf der Welt. Kinder, die alternativ aufwachsen, die erst mit zwölf Jahren, dann aber nahezu über Nacht lesen lernen, die sich einen Monat lang mit einem Projekt beschäftigen können, die intensiv ein Instrument erlernen können, die ohne Druck aufwachsen, für die die Eltern Zeit aufbringen, das wichtigste gemeinsame Gut. Eltern, die dafür auf Komfort verzichten, auf Auto, Haus und vieles andere, und die dafür unendlich viel mehr bekommen: Kinder, die in sich ruhend und zufrieden wirken, mit denen sie gemeinsam die Welt entdecken, mit denen sie lernen, was sie interessiert. Diese Freilerner-Kinder sind am Ende anders (aus)gebildet, aber entgegen vieler Bedenken und Vorurteile sind sie weder sozial isoliert noch für ein Studium an „Eliteuniversitäten“ ungeeignet. Eine wichtige Dokumentation in Zeiten, da Schulkonzepte mit Regierungswechseln hinfällig werden und in der Schule gesellschaftlicher Druck und Zwänge die Kinder immer früher intensiv verändert. Tanja Schleyerbach |
||
Warum der Kosmos kein Streichelzoo ist
Oberhummer, Heinz ; Puntigam, Martin ; Gruber, Werner: Das Universum ist eine Scheißgegend. München. Hanser, 2015, 328 S. Seit einigen Jahren gibt es die Science Busters als Bühnenshow, Radiokolumne und als Wissenschaftssendung im österreichischen Fernsehen. Die Erfinder, der Kabarettist Martin Puntigam und die Wissenschaftler Heinz Oberhummer und Werner Gruber, haben ein Faible dafür, unangenehme Wahrheiten höchst unterhaltsam darzustellen. In diesem Buch erklären sie mit viel schwarzem Humor das Weltall. Was steckt hinter Alien Kidnapping? Wie wäre ein Leben auf dem Mars? Und wo wird das alles enden? Mit anderen Worten: Das Universum ist eine Scheißgegend. Oder, um mit Gerhard Polt zu sprechen: "Dort fahren wir nicht mehr hin." In diesem Buch geben die Science Busters eine Reisewarnung und erklären, warum der Kosmos kein Streichelzoo ist, wo man gegen außerirdische Bakterien unterschreiben kann, was sich Sternschnuppen wünschen, wenn sie einen Menschen sehen, wie das Universum endet – und wer das dann alles zusammenräumen muss. Andrea Däuwel-Bernd |
Andrea Däuwel-Bernd |
|
This is how we do itKraus, Joo: Joo Jazz. - Künstlerhafen, 2016. - 1 CD Er ist ein kreativer Kopf aus Baden-Württemberg und hat sich im Jazz mit seinen musikalischen Projekten einen wohlklingenden Namen gemacht. Der Trompeter Joo Kraus erkundet immer wieder Neuland und nimmt seine Hörer in eine bunt schillernde Welt der Töne mit. Dabei bedient er sich unterschiedlicher Mittel und Genres: Latin Jazz steht neben elektronisch verzerrten Sounds, rockige Passagen wechseln mit softem Gesang. Die Arrangements von Joo Kraus tragen die Handschrift eines Musikers, der sich gerne individuell und klar verständlich ausdrückt. Das er tut noch dazu mit viel Spaß und Phantasie. Im Ergebnis steht eine Musik, die viel Vergnügen bereitet und neue Eindrücke hinterlässt. Eines der Stücke trägt den Titel „This is how we do it“. Für die ganze CD gilt: hier wird pfiffiger, aktueller Jazz gespielt! Axel Blase |